All you need is… Lo-Fi!

Die Technik wird besser, die Qualität wird besser, alles wird besser! Ein lautes Hurra auf den Fortschritt. Und doch gibt es Menschen, die den guten alten rauschigen Klang mit modernen Hilfsmitteln nachahmen und gezielt reproduzieren oder ihn gar mit alten Geräten abfeiern. Doch warum und was hat das mit der Lo-Fi-Bewegung auf sich? Und warum denn die Kassette, bitte?

Ohne das Rauschen geht es nicht

Der Mensch hört im Ohr das Blutrauschen. Ja, man kann Stille hören. Auch wenn sie manchmal nur in Form von Vibrationen wahrnehmbar ist. Absolute Stille existiert nur im Weltall. Aber für uns geht das Erleben von Stille meist einher mit einer ganz neuen Form der Selbstwahrnehmung: Man hört das eigene Blut fließen, das Herz klopfen. Die Fliessgeschwindigkeit des Blutes erhöht sich oder das Blut fliesst so, dass Turbulenzen entstehen. Das führt zu Wirbeln, die im Ohr hörbar werden. Verantwortlich dafür können beispielsweise Gefässveränderungen, Tumore, Blutarmut sowie ein erhöhter Blutdruck im Schädel oder eine Schilddrüsen-überfunktion sein. Ohne ins Detail zu gehen – Auch bei pulsierendem Rauschen im Ohr sollte so schnell wie möglich ein Arzt aufgesucht werden, um eventuell lebensbedrohliche Ursachen rechtzeitig zu erkennen.

Der Mensch hört seinen Tinnitus singen. Tinnitus aurium («Klingeln der Ohren», lateinisch tinnitus von tinnīre, «klingeln», auris «Ohr»), kurz Tinnitus und auch Ohrensausen genannt, bezeichnet ein Symptom, bei dem der Betroffene Geräusche wahrnimmt, denen keine äußeren Schallquellen zugeordnet werden können. Eine alternative Bezeichnung ist das Phantomgeräusch (phantom noise). Mehr als 25 % der Einwohner der Industrieländer sind im Laufe ihres Lebens von Tinnitus betroffen. Auch hier gilt es den Tinnitus vom entsprechenden Arzt behandeln zu lassen.

Ohne das Rauschen geht es wirklich nicht

Ohne das Rauschen geht es nicht. Ob im Kopf oder um uns herum. Eine gewisse Textur im Hintergrund ist stets vorhanden, ob wir es wollen oder nicht. Das Rauschen gehört einfach dazu! Um so mehr wundert es mich nicht, dass die Sterilität der Produktionen ein laut hinausgeschrienes analoges Revival erlebt. Nicht nur in Form von «Out of the Box-Geräten», sondern auch «Inside of the Box», in Form von umwerfend ordentlich programmierten Plugins, die dass gegenwärtige Leben in manch einer Form vereinfachen. Damit meine ich vor allem die Pflege der alten Geräte, Justierung und Reparaturen. Und hier wird es spannend…

Wenn man so will, kann ich das Lager gern in das, der Puristen (ausschliesslich analoger Geräte-Benützer) und das, der «Inside der Box»-Anhänger spalten. Aber wer denkt den schon Schwarz und Weiss heutzutage? Es macht doch so viel Spass alles kreuz und quer zu benutzen, oder? Alles miteinender. So darf es sein und ist schön, gell.
In diesem Beitrag gehe ich nicht auf die tollen Kassetten-, Bandmaschinen- und gottweiss welche weiteren zahlreichen Plugins ein. Wir machen eine Exkursion fokussiert auf einfache und erschwingliche Geräte, die uns helfen dürfen einen wobbligen und rauschigen Lifestyle zu leben ;-)

Doch was ist Lo-Fi? Einerseits bezeichnet es die allgemeine niedere Qualität (Low Fidelity) als Kontrahent zum Hi-Fi (High Fidelity) und zum anderen, ein in den 2010ern definiertes Genre samt dessen Sub-Genres. Hier drei Videos, die das Lo-Fi-Phänomen erläutern.

Da ich nicht sample und somit kein Lo-Fi Beats oder Lo-Fi Hip Hop mache, zeige ich auch nicht wie es gemacht wird. Youtube einfach danach und Du findest es. Es geht mir viel mehr um das Feeling, welches samt Hilfsmitteln erreicht und auf andere Genres mit gewisser «Degradierung» der Low Fidelity übertragen werden kann. Dazu fokussiere ich mich primär auf folgende Hilfsmittel: Kassetten, Bänder, Warming Units, Sampler, Pedale und distanziere ich mich von jeglichen Satiren:


Kassette

Den Begriff Lo-Fi hörte ich zum ersten Mal in meiner Teenager-Zeit als Notwist’s «Shrink» die Plattenläden stürmte. Das war eine völlig neue Welt und öffnete mir eine Tür zu Apex Twin und folgend zu den Bands wie den frühen Telefon Tel Aviv, Mouse on Mars etc. Erst dann erfolgte ein Tauchgang in die Untergrund-Rap-Szene, wo mir das Sampling, Vinyl und der Minimalismus in der Musik bewusst wurde. Mein erstes unhörbar schnulziges Demo nahm ich in den frühen 90ern auf einem Multitracker Fostex X-28H auf. Diesen nutze ich bis heute. Kurzzeitig defekt, strahlt er nun um so mehr. Als ich vor paar wenigen Jahren in Cairo auftrat, war es von mir ursprünglich geplant mitunter samt zwei Kassenttendecks (Fostex und Tascam) aufzutreten. Als ich merkte wie schwer das Gepäck wurde, verwarf ich diese Idee und nahm einen Sampler mit. Summa summarum war es mein Ziel dort ohne einen Computer aufzutreten. Die richtige Entscheidung. Später verkaufte ich die Tascam-Maschine an einen Musikerkollegen in Zürich und kaufte einen zweiten Fostex Multitracker, Model 280. Ende 2018 sah ich dann einen Beitrag über Alessandro Cortini, der bei Nine Inch Nails seinen Kassetten-Multitracker als eine Art «Texturunterleger» nutzt. Das entfachte die Kassettenbegeisterung in meinen Produktionen aufs Neue und ich tauschte ein. Heute benutze ich meinen Fostex M280 in erster Linie als Mixer samt dessen Sättigung. Neulich erklärte ich meinem Busenkumpel Joel Gilardini ein Setup und bei der Frage, warum ich keinen herkömmlichen Mixer verwende, antwortete ich ihm: Die klingen mir zu sauber, hehe!
Schaut euch die unten aufgeführten Videos an. Ich denke, sie erklären meine Begeisterung ;-)


Band

Nun, die eigentliche Königsklasse ist die Bandmaschine. Wiederentdeckt und wiederbegehrt. Dies führte dazu, dass aufgrund der Nachfrage Reparaturwerkstätte aufpoppten und Tonbänder wieder verkauft wurden. Die Preise stiegen massiv. Die Nachfrage liess nicht nach. Ein Phänomen wie das Vinyl, das für Musiker als Veröffentlichungsmedium nach wie vor sehr begehrt ist. Leider ist die Bandmaschine anfälliger (ich selbst besitze eine inzwischen defekte UHER) und seinen wir realistisch, auch sehr gewichtig, so dass Looping und Delays live eher mit dem Medium Kassette oder einem Delay-Gerät einfacher und praktischer realisierbar sind. Die Königsklasse Bandmaschine glänzt jedoch als Mastering/Sättigungsmedium im Studio. Hier ist die Bandmaschine unschlagbar. Und doch, wie so vieles andere auch, durch ein Plugin ersetzbar. Denn um wirklich exzellente Bandsättigung zu erreichen, sollte man auch eine erstklassige, gut gewartete und aufbereitete Bandmaschine besitzen. Daher bin ich in diesem Fall aus eigener Erfahrung etwas zurückhaltender. Exzellente Bandmaschinen haben ihren Preis.


Warming Unit

Ich erwähnte, dass ich meinen Fostex M280 als eine Art Mixer missbrauche. Die Wahrheit ist, für mich ist die Wärme/Sättigung so bedeutend, dass ich diese analoge Magie dieses Gerätes nicht mehr missen mag. Jeder, der sich mit dem Thema befasst, findet einen Weg für sich selbst, um das Beste für einen heraus zu holen. Ich hätte sehr sehr sehr gern einen Tegeler Audio Manufaktur Crème RC oder Tegeler Audio Manufaktur Magnetismus 2 oder einen Varia Instruments RD40 Mixer oder eine Studer Bandmaschine. Diese Geräte liegen für mich nicht drin. Wenn ich recherchiere, suche ich nach Lösungen mit Möglichkeiten, die im Rahmen des finanziell machbaren liegen. Und das muss nicht unbedingt tief ins Portemonnaie gehen (siehe: All you need is… Racksystem). Als meine neuste Entdeckung gilt der Finegear Dust Collector. Sicherlich nicht gerade günstig, aber sehr toll! Video weiter unten…


Sampler

Machen wir es kurz und bündig. Als Sampler kann und darf alles dienen. Dein Smartphone, iPad, Roland SP-404, Akai MPC Linie, Elektron Digitakt, Synthesizer und selbsterklärend die Kassette oder das Band. Es gibt so viele gute Sampler als Hard- und Software, dass ich hier nicht näher darauf eingehen mag. Eines ist aber sicher, die frühen Akai- und Roland-Sampler haben den Low Fidelity in Genres geprägt. Sie gelten nach wie vor als wegweisend. Unten findet ihr drei Videos. Jedes als Statement für eine eigene Produktionsweise…


Pedal

Bevor ich wieder abschliessend zu der Kassette zurückkehre, gehe ich noch kurz auf die grossartigen Pedale ein, die omnipresent aus vielen Genres nicht mehr weg zu denken sind. Pedale sind grossartig und haben mitunter, dank dem Sub-Genre Ambient ein Revival erlebt. Oder war es die Gitarre, die das Revival dank Ambient erlebte? Mit der heutigen Technologie ist es möglich, die noch vor wenigen Jahren undenkbaren Ansätze in eine Pedalform zu packen. Man siehe allein den Blooper. In den unten aufgeführten Videos seht und hört ihr tolle Pedale, die nicht nur für Lo-Fi Produktionen bestimmt sind. Diese Pedale können sehr viel und sind wirklich wirklich wirklich toll!


Technik deiner Wahl

So zurück zur Kassette. Warum ausgerechnet Kassette? Nun, ich glaube an den Spassfaktor, den man damit erzielen und erreichen kann. Prinzipiell kann man das mit jedem Gerät (siehe Abschnitt «Sampler»). Du kannst zwei, drei, vier Smartphones (Zu Hause hast Du sicherlich einige Exemplare nutzlos rumliegen) mit entsprechenden Apps zB.: Gauss oder Koala Sampler einsetzen und darf losjammen. Es geht heutzutage einfach alles und das ist das Schöne und Spannende daran. Um beim Thema Low Fidelity zu bleiben, entschied ich mich für das Format, mit dem ich aufgewachsen bin – Kassette (später MiniDisc). In meinen frühen Zwanzigern machte ich viele Mixtapes. Man tauschte sich untereinander aus und Kassette war unser Medium. Damals gab es noch keine bezahlbaren CD-Brenner. Die kamen erst und lösten die praktische MiniDisc ab. Ein Demoband war für die meisten Bands im Rahmen der Zugänglichkeit. Eine CD die logische Weiterentwicklung. Heutzutage, in meinen Vierzigern, verschicke ich eine Spotify-Playlist. So hat sich die Welt weitergedreht ;-)

Aus Nostalgiegründen schliesse ich somit diese Exkursion auch mit der Kassette ab. Was man damit macht und wie man Spass haben kann, hast Du bereits erfahren. Den Lo-Fi Touch erreichst Du mit vielen unterschiedlichen Ansätzen. Jeder auf seine eigene Weise, wie es Jedem liegt. Ich werde sicherlich demnächst einige interessante Plugins vorstellen, die im Grossen und Ganzen erschwinglicher und sicherlich praktischer sind als Hardware. Ihr wisst, man macht weniger kaputt, gell! Aber vielleicht bleibt dem Einen und Anderen der Spassfaktor in sämtlichen Formen verwehrt. Schliesslich will man ja auch Anfassen und Drehen. Das Phänomen des Lo-Fi dient somit für Viele im praktischen als auch übertragenen Sinne wie eine tatsächliche Klangaufwertung, mit der man sich identifiziert. Also tauchen wir erneut in die Lo-Fi Welt meines Wahlmediums ein und schauen den Profis zu. Ich verzichte auf das Fazit heute. Ich habe genug erzählt.

Nächstes Mal: Hauntology!


Quellen: Wikipedia, Youtube