Schneiders Laden

Wir kamen nach Berlin, um die grossartige Emma Ruth Rundle zu sehen und ich nahm mir vor, endlich Zeit für einen überfälligen Abstecher zu unternehmen. Denn Schneiders Laden will entdeckt werden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

«Wir stehen eigentlich davor», sage ich zu meiner Partnerin Sara. Aber ich sehe den Laden nicht. «Google bitte nochmals danach», sagt sie. Tief im Innern hoffe ich doch sehr, dass sie es nicht bereut mitgekommen zu sein. Schliesslich habe ich sie durch halb Berlin zum Kottbusser Tor mitgeschleppt. Sie kommt wegen mir mit. «Hier, in der Nähe, gibt es den Schneiders Laden nochmals. Nicht weit von hier.», sage ich mit starrem Blick auf Google Maps gerichtet. «Aber ist denn dieser Laden denn?» Also laufen wir die charmant heruntergerockte Passage nochmals ab. «Es muss hier sein. Ganz in der Nähe. Nummer 135!» Wir stehen vor Nummer 134. Aus dem Augenwinkel sehe ich zwei ältere Männer an uns vorbeigehen. Ich lausche. Höre ich ein eventuelles Gemurmel über Synthesizer? Ich schaue ihnen nach und wenige Augenblicke später gehen wir ihnen nach. Vor einem türkischen Lebensmittelladen halten sie an. Ok, dachte ich, hier waren wir bereits mehrmals. Ich spreche den Mann mit einem schwarzen T-Shirt an. Leider lag ich mit meinem Lauschangriff daneben, mit der Intuition jedoch goldrichtig. Sie sprachen nicht über Synthesizer aber er kenne Herrn Schneider persönlich und glaubt die Eingangstür sei hier ganz in der Nähe. Wir suchen gemeinsam, finden den Eingang jedoch nicht. Er zeigt mit dem Finger nach oben. «Schau, dort oben ist er. Eigentlich kennen nur Nerds den Laden...» Aha, dachte ich und bedanke mich höflich bei ihm für seine Mühe. Sara und ich sind schon ganz kurz davor uns auf den Weg in ein nahegelegenes Café zu begeben, als der Mann zurückkommt. «Ich habe die Tür gefunden», sagte er und lächelt. Ich dachte: Jesus, Maria und Josef, das ist ja mal was!

Wir klingeln und warten. Eine Treppe führt in den Stockwerk des Schneiders Laden. Etage darüber befindet sich eine Zahnarztpraxis, sagt ein Schild. Wohl eher eine Treppe höher und wohl eher vor Jahrzehnten. Ich bezweifle, dass in dem Gebäude sonst noch was geht. «Cool ist der Mann mit dem Synthesizer-Shirt zurückgekommen. Es kommt immer wie es soll», sagt Sara. Sein Shirt ist mir nicht aufgefallen. Es war ein Super-Booth Shirt.
Wir sind drin und ich liebe es bereits hier. Zwei Fahrräder an ein Doepfer Modularsystem angelehnt. Durchgesessene Couch, Plakate, obsolete Gadgets. Eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre mit Schreibtischlampen zieht sich komplett durch die vier/fünf Räume voller Equipment mit Charme. Mir ist augenblicklich bewusst, dass ich hier nicht so schnell gehe. Hier ist alles, was mich interessiert. In Griffweite. Der nette Angestellte empfängt uns und erklärt, was wir über den Laden zur Orientierung brauchen. Alles klar. Ich schlendere umher. Entdecke. Sara fotografiert mich zwei Mal zur Erinnerung. Ich drehe an Reglern. Der nette Angestellte erklärt ebenfalls, das Team sei unterbesetzt. Wir seien praktisch allein. Ich stelle zwei Fragen. Es ist heiss.
Unser Besuch dauert eine knappe halbe Stunde bis ich entscheide, es ist genug. Schneiders Laden ist ein Mekka und ein Must-See in Berlin. Ich empfehle Schneiders Laden jedem, der selbst elektronische Musik macht. Man gibt hier definitiv Geld aus! In dem Moment bin ich überglücklich nicht vor Ort leben zu müssen und zeitgleich traurig, denn solch ein Know-How ist selten. Beim Herausgehen erkenne ich Herrn Schneider himself hinterm Schreibtisch. Danke.
«Und, wars schlimm?», frage ich Sara.
«Nein, überhaupt nicht.»
Ich befürchte, sie hatte tatsächlich Spass.

schneidersladen.de

Text und Fotos: Dominik Grenzler