Zwischen Stille und Klang: Wenn Kunst auf die Toilette trifft.

Eine Audio-Installation
Standort 1 von 2
(PR Text)

Im Café Miyuko hat der Klangkünstler An Moku eine Audio-Installation unter dem Namen Zwischen Stille und Klang verwirklicht, die auf dem für die Halbinsel Hertenstein entwickelten Audiowalk basiert: «Hertenstein – Audiowalk mit Klang und Lyrik» (Auftrtagsarbeit von Luzern Tourismus und der Hochschule Luzern HSLU, konzipiert vom Klangkünstler).

Unerwarteterweise wurde Zwischen Stille und Klang in der Toilette des Cafés platziert und schafft dort eine besondere Atmosphäre. Diese ungewöhnliche Raumwahl verleiht dem Audiowalk eine neue Dimension und bietet den Gästen der Liegenschaft Bärengasse 20-22 eine ebenso überraschende wie eindringliche Erfahrung. An Moku selbst aktiviert die Audio-Installation einmal wöchentlich während der Öffnungszeiten des Cafés. Sie läuft tagsüber in Endlosschleife und wird durch eine Lautsprechervorrichtung gesteuert.


Die Bedeutung der Platzierung

Die Entscheidung, die Audio-Installation in der Toilette zu platzieren, bricht mit traditionellen Vorstellungen von Kunstpräsentation. Normalerweise findet Kunst in Museen oder Galerien statt; hier jedoch verschmilzt ein alltäglicher Raum mit künstlerischer Intervention. Diese bewusste Provokation lädt dazu ein, den Alltagsraum neu wahrzunehmen und Kunst als integralen Bestandteil des Lebens zu begreifen. Der «Hertenstein – Audiowalk mit Klang und Lyrik» verwandelt die Toilette, löst es aus seinem funktionalen Kontext und verleiht ihm eine neue, künstlerische Bedeutung.


Ein Raum der Transformation

Der stille Ort, wie wir ihn nennen, wird hier zu einem Raum des Klanges – ähnlich wie die Toiletten in Japan, die mit Klosomat-Geräuschmaskierungsfunktionen ausgestattet sind. Die Audio-Installation verwandelt die Toilette mithilfe einer einfachen, praktischen Lautsprechervorrichtung in einen temporären Rückzugsort – eine kleine Oase, die die Besucher aus dem Alltag entführt. Der Raum, der sonst nur einen praktischen Zweck erfüllt, wird durch diese künstlerische Intervention zu einem Ort der Kontemplation und Überraschung. Gäste können hier in die Klangwelt von An Moku eintauchen und sich gedanklich nach Hertenstein versetzen lassen.

Diese Installation fordert die traditionelle Wahrnehmung von Kunst heraus und lädt die Besucher dazu ein, über ihre Beziehung zu einem vermeintlich rein funktionalen Raum nachzudenken. Die Klangwelt löst das gewohnte Erlebnis auf und stellt die Frage: Was geschieht hier? Der Raum gewinnt durch die unerwarteten Klänge eine neue Bedeutung und eröffnet eine Perspektive, in der selbst eine Toilette zum Ort der Reflexion und Transformation wird.


Technische Details der Audio-Installation Zwischen Stille und Klang
-> Konzept und Durchführung: An Moku
-> Angepasst an die Dauer der Experimentphase von Klang der Vergänglichkeit
-> Länge: 48 Minuten in Endlosschleife
-> Text, Musik, Regie, Produktion: An Moku
-> Sprecher: Martin Engler
-> Gesang: Nebno

.

.

Hertenstein – Audiowalk mit Klang und Lyrik

Der Hertenstein – Audiowalk mit Klang und Lyrik nimmt dich mit auf eine Reise durch Geschichte und Natur der Halbinsel Hertenstein. Auf elf Stationen erfährst du von den historischen Schauplätzen. Ergänzt durch spannende Anekdoten und visionäre Pläne, offenbaren sich dir die kulturellen und landschaftlichen Reize der Region. Während du in vergangene Epochen eintauchst, wirst du gleichzeitig von der Schönheit und Ruhe der Natur begleitet, die diesem besonderen Ort seine Magie verleiht. Lausche dabei nicht nur den Geschichten, sondern auch den Klängen der Natur, die den Audiowalk durch Hertenstein begleiten. – Luzern Tourismus


Währenddessen?

Auf der Halbinsel Hertenstein entsteht derzeit eine weitere Klanginstallation des Klangkünstlers An Moku, die Zeit, Vergänglichkeit und Kraft der Natur thematisiert. Dieses experimentelle Projekt unter dem Titel Klang der Vergäglichkeit beginnt ab Ende November in einem geschützten Aussenraum in Zürich als Experiment und wird im Frühling in Hertenstein zugänglich sein. Im Herzen der Installation steht ein Kassettenabspielgerät, das den Hertenstein – Audiowalk mit Klang und Lyrik in Endlos- schleife vom Kassettenband abspielt. Dieses Band wird der Witterung ausgesetzt und durch den kontinuierlichen Einsatz allmählich abgenutzt, sodass die Klangqualität über die Zeit verfällt. Der Künstler besucht und kontrolliert in regelmässigen Abständen «den Raum im Freien», dokumentiert Auffälligkeiten und zeichnet die hörbare Veränderung permanent auf einem Digitalrecorder auf. Dieses aufgezeichnete Material währed der Experimentphase wird anschliessend als Ausgangsmaterial für die eigentliche Klanginstallation dienen.


Copyright: An Moku (Dominik Grenzler)

Ein Hörspiel für den SRF2 Kultur

„Warum es sich lohnt auf die Welt zu kommen“ – Ein Hörspiel von Martin Engler in Kooperation mit JuLL (Junges Literaturlabor)

Am 24. Februar fand um 20 Uhr auf SRF2 Kultur die Ausstrahlung des Hörspiels „Warum es sich lohnt auf die Welt zu kommen“ statt – Eine polyphone Collage aus Tag-Träumen, Nacht-Ungeheuern und absoluter jugendlicher Lebenswirklichkeit im Hier und Jetzt. Bereits am 8. Februar hatten 30 Gäste die Gelegenheit, an einer Pre-Listening-Session teilzunehmen. Eine Live-Schaltung zu Martin Engler in Berlin war Teil des Programms, während Richard Reich, Autor und Co-Direktor des Jull, die Moderation übernahm…

…Die Klangräume stammen vom Soundarchitekten Dominik Grenzler, der unter dem Namen An Moku aus Stille, Ton und Geräusch spannungsvolle, hochkomplexe, filmische Klangwelten komponiert.“ – SRF2 Kultur

Link zum Hörspiel

56 min.
2023

2023 ins 2024

2023 war reich an faszinierenden Begegnungen, inspirierendem Austausch, spannenden Kollaborationen, Live-Shows und verrückten Ideen. Gastronomisch in meinem co-geführten Café als auch musikalisch. Ich freue mich auf das neue Jahr, das bereits mittendrin steckt…

Ich habe eine grosse Liebe für Kassetten, und es macht mich besonders glücklich, dass ich auch im vergangenem Jahr drei Veröffentlichungen auf Kassette haben durfte:

• «Fluxus Verve» mit Nicolas Streichenberg aka Yes, it’s Ananias!
• «Raum im Raum» mit Stefan Schmidt, Karlrecords (GER)
• «Shapes (for a Name)» Solo, Puremagnetik (USA)

Am 5. Januar berichtete der Journalist Rainer Etzweiler auf dem neuen Schweizer Portal, Sunrise Starzone, in seinem Artikel «Tape it or leave it: Die Verkaufszahlen von Musikkassetten steigen an» über die aufflammende Begeisteung des Mediums und erwähnt meine drei Veröffentlichungen. Danke, Rainer!

«…Dass Vinylplatten ein Comeback erleben, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben und haut auch keinen mehr aus dem Hocker. Etwas überraschender ist hingegen, dass auch wieder mehr Musikkassetten verkauft werden. Yep, Tapes, weil Nutzungskomfort einfach nicht so geil ist, wie Musik mit dem Bleistift zurückzuspulen. Es ist ein Twist, bei dem Spotify-CEO Daniel Ek wahrscheinlich kurz von seinem Elfenbein-Thron gefallen ist: Die Verkaufszahlen von Musikkassetten steigen wieder an. In Amerika bereits seit 2017, England wiederum verzeichnet gerade das vierte Jahr in Folge mit wachsendem Absatz. Für die Schweiz liegen keine Zahlen vor, Tapes werden aber auch hierzulande verkauft. Zum Beispiel die von dem Zürcher Ambient-Künstler An Moku, der im letzten Jahr gleich drei seiner Releases auf dem anachronistischen Format herausbrachte…»

Zum Artikel: https://starzone.ch/articles/tape-it-or-leave-it-die-verkaufszahlen-von-musikkassetten-steigen-an

Next in 2024 oder bereits mittendrin?

Ich blicke bereits erwartungsvoll auf das jetzige Jahr, das mir die Möglichkeit bietet, spannende Herausforderungen anzugehen. Besonders freue ich mich auf die Gestaltung eines Audiowalks für die Halbinsel Hertenstein im Auftrag des Tourismus Luzern, der sowohl textlich als auch klanglich unter anderem das Erbe von Sergej Rachmaninoff würdigt. Ebenso freue ich mich auf das Sounddesign für die Installation der Künstlerin Salome von Brüning. «Krass Fass – Fassbare Kunst» wird in Richterswil von Mai bis September zusehen und hören sein. Zudem sehe ich gespannt der Ausstrahlung des Hörspiels „Warum es sich lohnt auf die Welt zu kommen“ auf SRF2 Kultur Radio im Februar entgegen, das unter der Regie des Berliners Martin Engler in Zusammenarbeit mit JuLL entstanden ist. Es wird auch sicherlich eine kleine Handvoll an Liveshows geben, aber mein Fokus bleibt dieses Jahr auf Konzeptionen… Und ich freue mich auf Das, was noch keine konkrete Form angenommen hat und in der Luft schwebt!

Tatsächlich erreichte mich heute Morgen beim Kaffee ein Review aus Italien über mein aktuelles Album «Shapes (for a Name)», und das gab den Impuls, diesen Post zu verfassen. Ich freue mich besonders über den Artikel, da der Redakteur, Vasco Viviani, erneut über mich berichtet und der Review aus meiner Sicht schön verfasst ist. Danke, Vasco!

Hier die übersetzte Version des Originals: «…Über Musik zu schreiben ist wie Architekturtanzen. Es ist zu bekennbar oder nicht, dass die beiden oft Disziplinen sind, in denen sich Extro und Strenge kreuzen und Kunst schaffen. Der Weg des Züricher An Moku, dem wir bei Sodapop mehrmals begegnet sind, führt dazu, dass er auf dieser Platte die Konzepte und Farben des Bauhauses in den Klang übertragen möchte. Shape (for a name) kann als These assimiliert werden, aber ich lese sie lieber als Frage und stelle mir Dominik an den wichtigen Orten vor, die diese Forschung skizziert haben: Weimar, der Monte Verità in Locarno, Zürich. Werke, Materialien, Konzepte, Farben (gelb, rot, blau), die An Moku zerbricht, um sie zu körnigen und eleganten Klangformeln wieder zusammenzusetzen, um Pentagramme, Millimeterpapier und Periodentafeln zu überlagern und magische Formeln miteinander arbeiten zu lassen. Was das Bauhaus uns zeigt, ist eine Umgebung von sanfter Musikalität, einer minimalen, einladenden und lebendigen Strenge, die manchmal an einige Excursus von Susumu Yokota oder die Umgebungen von Steve Roden erinnert. Die Fähigkeit von An Moku besteht darin, die Hand nicht zu treten, sondern sie leicht und präzise fließen zu lassen, wie ein Zeichen von Lapis, um eine neue Welt zu eröffnen oder einen neuen Raum hinzuzufügen. Wenn Sie sich von dieser Musik überfallen lassen, einen Katalog durchsuchen, Linien ziehen, Silhouetten einbauen, wird Ihnen ein Gefühl der Vollständigkeit geben. Es wird vielleicht keinen Grund zum Tanz geben, aber die Lyrik und Ordnung in diesem Werk schaffen es, ihre Schönheit in Aufnahmen von Formen auf Reisen zu sublimieren, die durch schnelles Durchblättern der Seiten im Rhythmus dieser sanften und präzisen Noten animiert werden können.»

Link zum Artikel: https://www.sodapop.it/phnx/an-moku-shapes-for-a-name-puremagnetick-2023/

Ich möchte mich herzlich für den Austausch und all den Support bedanken und natürlich Allen, die meine Katzen-Musik wertschätzen. Danke euch von Herzen.

Shapes for a Name – Eine Annäherung an die Musik des Bauhaus

Essay von Dominik Grenzler

Ich kann mich nicht mehr erinnern, was meine Faszination am Bauhaus ausgelöst hat. Vielleicht war es ein Möbelstück wie ein Sessel, in dem ich gesessen, vielleicht ein Gemälde, das ich betrachtet habe, oder vielleicht die Anschauung des Bauhauses als Ganzes? Im April 2021, nach der Veröffentlichung von „Less“ (Puremagnetik, 2021), stellte ich Micah Frank (Chef der New Yorker Plattenfirma, Puremagnetik) meine Idee der Bauhaus-Vertonung vor. Ich erinnere mich noch, wie wir damals über eine mögliche Verwechslung mit der Band Bauhaus scherzten. Micah zeigte Interesse. Im Sommer reiste ich nach Irland und verbrachte dort zwei Wochen mit Aufnahmen und einem intensiven Studium, in der Hoffnung, einen Zugang zu finden. Ich reiste nach Weimar (Deutschland) und zum Monte Verità im Tessin (Schweiz) und verbrachte Stunden in Zürcher Bauhausgebäuden. Ich wollte wissen: Was steckt hinter dieser Kunstrichtung, die sich mit Bereichen wie Architektur, Möbeldesign, Grafikdesign, Textilien, Malerei, Bühnendesign und -performance, Keramik, Metallarbeit und Fotografie/Film befasst und, die Ikonisches hervorgebracht hat? Es sollte noch ein Jahr dauern, bis ich mein Konstrukt als eine greifbare Form ansehen konnte. Aber was war mit der Musik?

Ich hatte noch nie zuvor etwas von einer spezifischen Bauhaus-Musik gehört und hoffte auf Neuland zu stossen. In den verschiedenen Publikationen, die ich über die Zeit las, hoffte ich eine mögliche Formel entdecken zu können, die mir mathematisch ein Fundament für meine Musik geben sollte. Ich hatte keine genauen Vorgaben, nur Ansätze. Also musste ich lernen, damit zu konstruieren.

Scheitert Bauhaus an der Musik?

Aus heutiger Sicht besteht die musikalische Leistung des Bauhauses nicht in einem weiteren Beitrag zu bestehenden Strömungen, sondern im Aufwerfen von Problemen, im Ausloten sich andeutender Pfade und in der Produktion unfertiger Prototypen. Diese Feststellung führt zu dem Phänomen, dass die Musik zwar am Bauhaus an den selbst gestellten Aufgaben gescheitert ist, jedoch in diesem Scheitern wichtige Impulse für musikalische Entwicklungen der 1950er und 1960er, ja sogar bis in die Gegenwart, liegen.

Erst im verdichteten Nebeneinander der Künste am Bauhaus sowie durch die rigorose „Einmischung“ bildender Künstler zeigte sich in der Musik die Existenz ungelöster Aspekte, die zukünftig behandelt werden sollten. Genau diese Dynamik scheint Laszlo Moholy-Nagy im Sinn gehabt zu haben, als er feststellte, dass es zur Förderung künstlerischer Entwicklungen „nur der richtigen Fragestellung“ bedürfe. Moholy-Nagy wies mit dieser Idee nicht nur auf die musique concrète hin, sondern, wenn man es so will, sogar auf das Ende der 1970er Jahre entstehende DJing.

Die Annahme, dem Bauhaus habe es in erster Linie an der nötigen Technik zur («total» kontrollierten) Musikproduktion gefehlt, sollte zwar nicht vollständig revidiert, aber doch relativiert werden. Eine ergänzende Diagnose könnte lauten: Vielleicht mangelte es der Bauhaus-Musik schlicht am richtigen Personal? Künstler wie Oskar Schlemmer (Triadisches Ballett) und der weltberühmte Maler Kandinsky versuchten zwar, eine generelle Musikalisierung der Künste zu erzielen, vernachlässigten dabei jedoch die Musik selbst. Ein möglicher Grund dafür könnte die Annahme gewesen sein, dass Musik keiner grundlegenden Erneuerung bedarf, da ihre Leitfunktion darauf beruhte, seit jeher abstrakt zu sein.

Die daraus resultierende Herausforderung war, dass die verfügbare Musik strukturell nicht zu den völlig erneuerten Mitteln der Bauhaus-Bühne passte. Am Black Mountain College (BMC), einer experimentellen Kunstschule in North Carolina, die von 1933 bis 1957 existierte, wagte John Cage schließlich den überfälligen Schritt einer Neudefinition von Musik, indem er sie anders dachte: durch Emanzipation des Geräuschs, Ent-Personalisierung und den Verzicht auf dramaturgische Entwicklung.

Da das Fach Musik am Bauhaus kein festes Unterrichtsfach war und es kein ein spezielles Budget dafür gab, fanden musikalische Experimente und Aufführungen meist außerhalb des regulären Unterrichts statt. Die musikalischen Aktivitäten, die ohne interdisziplinäre (Theater-) Einbindung stattfanden, wurden auf den Bauhaus-Festen und während der Bauhaus-Woche 1923 performt. Dass weder Josef Matthias Hauer noch Arnold Schönberg das Bauhaus für längere Zeit besuchten, obwohl beide mit dem Gedanken spielten, dort zu lehren und zu arbeiten, kann aus musikalischer Sicht als verpasste Chance betrachtet werden.

Sowohl das Bauhaus als auch das spätere Black Mountain College in den USA wiesen Züge der hier imaginierten Laboratorien auf, oder, wie Oskar Schlemmer es nannte, der „Versuchsballone“. Umso erstaunlicher erscheint es, dass vom Bauhaus dennoch die hier erläuterten musikalischen Anregungen ausgehen konnten. Offensichtlich waren Experimente mit Schallplatten, Grammophonen, Wachsrollen, mechanischen Pianos (wegen Entsetzen des Publikums anfänglich verworfen), Elektrizität und Film doch grundlegend und wegweisend.

Annäherung an die Musik des Bauhaus: Ein Experiment.

Die Erkenntnis über das Scheitern der Musik am Bauhaus war ernüchternd und trotz allem blieb ich fasziniert am Thema. Ich betrachtete die für mich relevanten Bereiche genauer und fasste diese zusammen:

Titelgebung: Die Stückitel des Albums „Shapes (for a Name)“ lehnen sich am interdisziplinären Ansatz des Bauhaus an, sind jedoch von mir gestaltet. Sie erzählen eine Geschichte. Ihre Erzählweise verläuft nicht unbedingt chronologisch und wird, gleich nach dem elektroakustischen Eröffnungstitel „Gestus“, von den beiden Stücken „Ebenen“ übergeordnet eingerahmt. Das Album darf das Ringen des Menschen mit Gewalten (der Mensch selbst als sein eigener Widersacher und Nationalismus als übergeordnete, sabotierende Institution) aufzeigen. Der Nationalsozialismus hatte eine komplexe und überwiegend feindliche Beziehung zum Bauhaus. Das Bauhaus und der Nationalismus, insbesondere in Form des Nationalsozialismus, standen in vielen Punkten im Gegensatz zueinander. Das Bauhaus war eine progressive Kunst- und Designschule, die 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet wurde. Sie betonte Interdisziplinarität, Modernismus und die Verschmelzung von Kunst und Handwerk. Ihre Ideen waren oft avantgardistisch und standen im Kontrast zu traditionellen künstlerischen Normen. Der Nationalsozialismus hingegen, der in den 1930er Jahren in Deutschland aufkam, betrachtete die modernistischen Tendenzen des Bauhauses mit Misstrauen und sah sie als “entartet” an. Der Nationalsozialismus betonte konservative, traditionelle Werte und lehnte viele der Ideen und Konzepte ab, die das Bauhaus verkörperte. 1933 wurde das Bauhaus unter dem Druck der Nazis geschlossen. Einige Künstler und Pädagogen gingen in die USA und hatten eine Verbindung zum Black Mountain College. Einer der bekanntesten Bauhaus-Mitglieder, das zum Black Mountain College ging, war Josef Albers. Er lehrte dort von 1933 bis 1949 und hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die Kunstpädagogik in den USA. Seine Kurse in visueller Grundausbildung waren stark von der Bauhaus-Pädagogik geprägt und beeinflussten Generationen von amerikanischen Künstlern.

Ein Beispiel anhand von „Unruh im Stillleben“ und dessen Doppeldeutigkeit: Die Unruh in einer Uhr ist ein zentrales Bauteil in mechanischen Uhren. Sie ist ein Teil des Uhrwerks und dient dazu, die Zeit zu messen, indem sie in einer gleichmäßigen Schwingung hin und her pendelt. Diese Schwingung der Unruh wird durch eine Spiralfeder reguliert, was die Genauigkeit der Uhr sicherstellt. Das Stillleben ist eine Kunstform, die sich auf die Darstellung von in der Regel unbeweglichen Objekten oder Arrangements von Gegenständen konzentriert. In der Komposition verzichte ich bewusst auf akustische Elemente eines Uhrenwerks und belasse es bei Anspielungen durch andere verfremdete Geräusche auf die aufkommende politische Unruhe.

Und selbstverständlich meine Wahl, den Anglizismus bei der Namensgebung des Albums ‘Shapes (for a Name)’ als die Hauptandeutung auf Bauhaus und seine Formen zu verwenden.

Stimmung:Shapes (for a Name)“ dient als eine musikalische Annäherung nicht nur an ein einzelnes Konzept, sondern an die Idee als Ganzes – es ist ein Experiment. Es handelt sich um meine Interpretation eines Aspekts, der in seiner ursprünglichen Form nicht klar definiert war. Meine durch das Bauhaus inspirierte Musik distanziert sich von jeglicher Esoterik, auch wenn meine Kompositionen hypnotische Züge aufweisen – ein Aspekt, der mir sehr wichtig ist.

Das Bauhaus entwickelte eine Farbenlehre, die ich zwar berücksichtigte, aber nicht vollständig in meinen Kompositionen integrierte. Eine sehr gute Freundin von mir (anonym) nimmt Musik als Farben wahr, aufgrund synaptischer Verbindungen in ihrem Gehirn. Ich lasse sie meine Musik hören, um sicherzugehen, dass ich die gewünschte Farbskala getroffen habe. Bei „Shapes (for a Name)“ orientiere ich mich an den drei Hauptfarben des Bauhaus (Gelbb, Rot, Blau) und bewege mich vor allem im Spektrum von Rot und Blau.

Das Albumcover gestaltet erneut John Whitlock, ein Künstler aus New York. Auf dem Cover sind charakteristische Bauhaus-Formen wie Kreis, Dreieck und Rechteck zu erkennen. John experimentiert mit den Elementen und gibt viele Andeutungen. Die Farbpalette bleibt warm und subtil gehalten. Alles bewegt sich im Bereich der Andeutungen. Im Mittelpunkt des Covers ist ein Buch abgebildet, das als Symbol für Wissen dient. Ebenso sind weitere Materialien angedeutet, die ich klanglich verarbeitet habe.

Bewegung: Als weiteres Element im Bauhaus betrachte ich das bewegte Bild. Der aufkommende Film sorgte für gesteigerte Aufmerksamkeit im Bauhaus. Edgar Reitz bemerkte hierzu: „…Die Bilder, die Bewegung des Lichts, sind auch musikalisch. Musik macht man nicht nur mit Geigen oder einem Orchester, sondern sie ist alles, was sich in einer konstruktiven Weise polyphon bewegen kann. Und das können Filmbilder genauso. Der Film ist eigentlich ein Zweig der Musik.“ Im von Sasha della Moon performten Clip werden viele Grundmaterialien miteinander vereint, einschliesslich zwei Hauptbereiche des Bauhauses: Architektur und Bühnenperformance. Sasha interpretiert zeitgenössischen Drehtanz, angelehnt an das Sema-Ritual der Derwische. Ihr Drehritual verkörpert das runde Element als Schönheit und Grazie in konzentrierter Form – ein praktisches, greifbares Symbol. Der Clip ist eine Kompilation ihrer ausgedehnten Drehperformance zu den Stücken „Ebenen“, die den thematischen Rahmen für „Shapes (for a Name)“ setzen.

Vertonung: Ebenso habe ich einige Materialien klanglich verarbeitet, darunter Wasser, Holz, Glas, Beton und Stahl. Bei genauerem Hinhören können diese eventuell identifiziert werden. Ein wichtiges und immer wiederkehrendes Element in meiner Arbeit ist das Knistern von Vinyl, welches ich sorgfältig in analoger Form gesampelt habe. Ich durchstöbere gerne meine Plattensammlung auf der Suche nach interessanten Endlosrillen im Vinyl voller staubiger Kratzer. Das Wabern des Bandes dient als Anspielung auf die Wachswalze und das Experimentieren mit dem Klang und das daraus resultierende Konzept der musique concrète. Für die Umsetzung nutzte ich mein modulares System sowie einige Hardware-Geräte, darunter Sampler, analoge Diktiergeräte, Bandmaschine, iPad, Bassgitarre, elektroakkustische Mikrofone. Die verwendeten Effektketten ähneln denen, die bereits bei den Aufnahmen zu “Less” verwendet wurden, einer musikalischen Bassgitarren-Interpretation von Hautology (Puremagnetik, 2021). Das Mixing führte ich digital („in the box“) durch.

Gleich nach der Fertigstellung des „Shapes (for a Name)“ begann ich mit dem nächsten Album „Raum im Raum“ (letzter Teil der Raum-Trilogie mit dem deutschen Musiker und Freund Stefan Schmidt, veröffentlicht von der Berliner Plattenfirma Karlrecords). Um der Raum-Trilogie eine neue Richtung zu geben, integrierte ich Musikstücke aus meinem Bauhauskontingent. Diese beiden Stücke sind RiR °5 und RiR °3. Laut eines französischen Printmediums entzieht sich das Album einer Schubladisierung. In meinem nächsten Blog-Beitrag werde ich ausführlich auf die gesamte Raum-Trilogie eingehen…



Es bleibt unklar, welche Rolle die Rhythmik im Bauhaus spielte. Der Rhythmus wurde offenbar als Lehrbegriff verwendet, um die Einheit von Körper und Seele zu symbolisieren. Johannes Itten berief sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Methoden von Gertrud Grunow, die den Körper ins Zentrum ihrer Lehre stellte: „Klang und Farbe lösen im Menschen Bewegungen aus, und zwar in ganz bestimmten Zentren, für ganz bestimmte Töne und Farben.“ Ich spiele mit dem Rhythmus, verberge oder offenbare ihn an verschiedenen Stellen. Ich orientierte mich dabei am faszinierenden Goldenen Schnitt (Golden Ratio), der in der Natur omnipräsent ist, sowie an der Fibonacci-Folge. Diese dienen mir als jene Formel, die ich ursprünglich vermisste. Hätte die Bauhaus-Musik das für gut befunden?

In Zusammenarbeit mit Micah Frank (Puremagnetik) entsteht nach „Fragment“ ein zweites Musik-Plug-in: „Stages – Dual Golden Ratio Delay“. Die Idee verwirklichte ich zunächst in Form eines sogenannten Patches für eines der für mich unabkömmlichen Musikgeräte: Zoia. Laut meiner Kenntnis exisitert auf dem Markt bis heute kein vergleichbares Plug-in. In aller Bescheidenheit – das Ergebnis macht mich sehr stolz. In dem ca. 8-minütigen YouTube-Video erkläre ich die Funktionen des Plug-ins und erläute kurz den Zusammenhang mit „Shapes (for a Name)“.

Im Jetzt.

Genau ein Jahr nach der Fertigstellung wird „Shapes (for a Name)“ veröffentlicht. Würde ich das Projekt heute anders angehen, etwas anders machen? Ja und Nein. Vielleicht hätte ich einige Kompositionen des Albums im Klang natürlicher und offener gelassen. Aber das Bauhaus repräsentiert für mich einen experimentellen Baukasten, mit dem musikalisch Sandburgen kontruiert werden können. Im Versuchsballon…

Dominik Grenzler
Zürich, September 2023

Danksagung: Sara Hochuli, Micah Frank, Elisabeth Nold-Schwartz, Cristina Oliviera, Alexandra Moskovchuk, Stephanie Pirker-Seiler, Richard Reich, Guido Kippelt, Taylor Deupree, John Whitlock, Vanessa Zimmermann

Shapes for a Name (Puremagnetik, 2023)

  1. Gestus
  2. Ebenen der sich kreuzenden Mikrojahreszeiten
  3. Atem der Fische
  4. Im Wandel
  5. Ebene aus Punkt und Linie
  6. Gedanke und Erinnerung
  7. Zwischen Wort und Bild
  8. Zu neuen Ufern
  9. Unebenheiten einer Form
  10. Alles Fliessende
  11. Unruh im Stillleben
  12. Illusion der Einzigsartigkeit
  13. Ebenen der galoppierenden Triaden

Quellenverzeichnis:
Andi Schoon - Die Ordnung der Klänge. Das Wechselspiel der Künste vom Bauhaus zum Black Mountain College, 2006
Elizabeth Otto und Patrick Rössler - Bauhaus Women: A Global Perspective & The Sound of the Bauhaus, 2019
David Hendy - Noise. A Human History of Sound and Listening, 2013
Wilfried Kirsch - Bauhaus und Musik

Badenfahrt 2023

Das Konzert, das wohl in meiner Erinnerung ein Leben lang bleiben wird:
Die für mich nicht stattgefundene Badenfahrt!

Die Badenfahrt in Baden findet alle 10 Jahre statt und ist vielleicht das grösste Event der Schweiz. Dieses Jahr ist das 100-jährige Jubiläum. Dort bin ich gebucht. Dort treffe ich meinen Pianisten. So ist der Plan…

Am 27.8. verlasse ich früh morgens Kopenhagen in Richtung Flughafen. Unterwegs erreicht mich eine Nachricht von der Swiss Airline, mein Flug ist annulliert worden. Es stellt sich heraus, dass alle Flüge der Swiss Airline, die tagsüber von Air Baltic durchgeführt werden sollten, annulliert wurden. Der nächste verfügbare Flug ist um 18 Uhr mit SAS. Ich nehme diesen Flug und besteige die Maschine in der Hoffnung, Zürich um 20 Uhr erreichen und vielleicht mit Verspätung noch das Abschlusskonzert der Badenfahrt mit dem Pianisten Nicolas Streichenberg im Balineum, in Baden performen zu können. Doch dann trifft ein Blitz unsere Maschine. Aus Sicherheitsgründen sind wir gezwungen, nach Kopenhagen zurückzukehren, was eine Reihe weiterer Ereignisse vor Ort mit sich bringt.

Das Konzert auf der Badenfahrt konnte ich verständlicherweise nicht spielen. Kurzerhand wird mein Platz ganz im Stil des Fluxus durch ein Holzkonstrukt und einen antiken Coca-Cola Koffer ersetzt. Trotz der Ereignisse legt mein Freund Nicolas eine tolle Solo-Improvisation hin. Danke an die Veranstalter der Badenfahrt für ihr Verständnis und an Nicolas für die Nerven!

An diesem Abend hätte Schlimmes passieren können, aber zum Glück ist nichts passiert. Ich hatte einfach etwas Pech und dieses Konzert werde ich nie vergessen!

Fifteen Questions – Part 2

Fifteen Questions – Interview geführt von Tobias Fischer.

Mein Partner in Crime, Nicolas Streichenberg und ich beantworten erneut Fragen zum gemeinsamen Album und und und.

Excerpt from the interview:

Fifteen Questions – An Moku & Yes It’s Ananias about Sonic Time Travel and Playing for the Deaf.

The past is mentioned as a source of inspiration specifically in the press release. Why is music such a great tool for travelling towards the heart of the past?

Dominik: Like music, the arts in general, such as literature, gastronomy, painting and the performing arts, are a medium. It is a tool with the help of which “a product” can be created. Depending on how receptive we are or how strong this product is, it has the power to do something with us. 

In this case, it is music that can trigger something. Be it memories of conversations, or general events. Images are created in the mind, which in turn can evoke smells and colours in some people. These are very strong connections. 

A very close friend of mine sees colours because of the synaptic neural connections in her brain. I always have her listen to my music beforehand to be sure that a desired colour scale has been hit. 

For me personally, hearing, followed by tasting, triggers the most intense memories. In my case, even more than the sense of sight.

Nicolas: In a very observative and biological way it is nothing but magic. It’s molecules within the air that are crossing towards our eardrums, which in turn vibrates and in a very effective way pours signals into our brain. 

Connectionwise in there, we kind of like a supercomputer, calculate these vibrations as electrobiological ones and zeros. It occurs to our senses that certain chemicals will be released and then, only then, our body reacts. Our nervous systems are genuinely thriving for such highs. Many chemicals are being released, and this is what makes our body respond in a certain way mostly. 

Each and every nerve in our system genetically reacts to these impulses. Which is why we have learned to deal and systematically put feelings into boxes and live mostly after them. Or else; God is not here to be understood or seen, but felt. It’s a way of purest communication. Music is the way to connect wether we want it or not. It does something to our body. 

I was in a rockband once and played a sold out clubshow to a community of deaf people. It was the most cheerful applause and energy within thankfulness they gave towards us artists. 

Only vibrations. Pure physical energy.

Read the whole interview: Here


Quelle: Fifteen Questions, Tobias Fischer

Fifteen Questions

Fifteen Questions – Interview geführt von Tobias Fischer.

Ich lernte den Journalisten des Musikmagazins Beat, Copy Writer und Radiohost, Tobias Fischer zufällig durch Thomas, den Chef des Berliner Labels Karlrecords kennen. Als Tobias das Album „Fluxus Verve“  hörte, bot er mir ein Interview für sein eigenes Musikmagazin an: Fifteen Questions. Mein Partner in Crime, Nicolas Streichenberg und ich beantworten 15 Fragen zum gemeinsamen Album und und und.

Danke, Tobias. Es hat riesig Spass gemacht✌️

Excerpt from the interview:

An Moku & Yes It’s Ananias about The 70s as Inspiration, Fluxus and the Return of Disco in 2050 – An Interview by Tobias Fischer.

The 70s as an era and an artistic period are one of the points of departure for Fluxus Verve. They have always held a special place in my heart as well, and I sometimes attribute this to the fact that I was born in them but did not actually get to experience them first-hand. So it’s a time which feels familiar but in a magical, inexplicable way. Where does your own interest in the 70s stem from, do you feel?

Dominik: First of all, thank you for having us here. Like you, I was born in the 70s, but my memories are definitely of the 80s. As we know, the decades flow into each other. There is no direct cut. Be it in politics or in art. The echoes of the 70s lasted a long time. So, I definitely grew up with bands from both decades. 

Before my siblings were born and my parents had to leave me alone in the house to do errands (which could be pretty complicated in the former communist Poland), my father would come with his cassettes and say to me: “Listen and tell me what you heard”. That’s how my journey began. 

I remember the first cassette was Animals by Pink Floyd. My father introduced me to his favourite music, and I’m grateful to him for that. So my interest in that period is personal…

Read the whole interview: Here


Quelle: Fifteen Questions, Tobias Fischer

Fluxus Verve Live

Nicolas Streichenberg aka Yes It’s Ananias und ich haben unser gemeinsames Album «Fluxus Verve» auf einer kleinen Tour präsentieren dürfen. Spannende Begegnungen, schöne Orte, viel Schweiss. Jedes der Konzerte fand in einem besonderen Rahmen statt. Es ist mein Anliegen die Musik mit Kunst verbinden und dadurch zum Erlebnis machen zu können.

FOTOS: © DOMINIK GRENZLER

TonTon, Buffet Nord, Bern

Im Rahmen des TonTon performten wir im Januar in Bern und vertonten mit Fluxus Verve die «This sense of Wonder»-Installation der Schweizer Fotografin Brigitte Lustenberger. Brigitte thematisierte die makabre Schönheit des Todes in der Natur. Besonderer Dank geht an Matthias Hügli (Matu) und Nathalie.

This sense of wonder – Multimediale Installation

«Lustenbergers Installation This sense of wonder bewegt sich an der Schnittstelle von Fotografie, Projektion und Installation. Sowohl das Flüchtige einer Lichtzeichnung, als auch das Bewahrende einer Fotografie sind Elemente ihrer Arbeit. Durch multimediales Arbeiten, räumliches Experimentieren und ihr skulpturales Denken sprengt sie die Grenzen der Fotografie auf und überzeugte uns als Jury.» Die Arbeit wurde mit dem Merck-Preis 2018 der Darmstädter Tage der Fotografie und dem Kunst-Stipendium des Kantons Bern ausgezeichnet.

www.buffetnord.ch
www.lufo.ch

Coin Coin, Zürich

Die Plattentaufe fand anschliessend zwei Wochen später in Zürich statt, im Coin Coin, ehemals Haus der Kalistik. Wir spielten zwei Sets à 50min im alten Tresorraum, der für uns umfunktioniert worden ist. Während der kompletten Performance visualisierte Stefan aka Istepan Obsidian unseren Sound auf seinem enormen Gemälde. Verschmelzung von Pinselstrich und unser Ambient-Musik. Besonderer Dank geht an Arnaud und Stefan.

www.istepanobsidian.com

Risa Hutwerkstatt, Hägglingen

Gestern spielten wir an einem für mich sehr besonderem Ort, der Risa Hutwerkstatt. Seit 1919 als Familienbetrieb. Im Rahmen des jährlichen Fabrikverkaufs, der zwei ganze Tage anhält, performten wir während es draussen gewitterte. Inspirierendes Ambiente samt perfekter Ambience. Verschmelzung von Natur und alten Maschinen. Besonderer Dank geht an Julian Huber, den Chef. Danke für die Einladung und den Support vor Ort.

www.risa.ch

Strom am Mittag & Fri-Son

Vor Kurzem spielte ich solo zwei Konzerte an besonderen Orten. Einerseits in einer Kirche (Kulturhaus Helferei) in Zürich samt einer unglaublich tollen Akustik und in dem Kultclub namens Fri-Son in Fribourg. Dieser spezielle Ort machte mich besonders melancholisch. Die Wände des Backstage behangen mit Konzertplakaten vergangener Zeit. Ich erkannte, wie wichtig dieser Club ist und welche Grössen hier in den 90ern gespielt haben. Alles Heros!

Bevor es in wenigen Tagen mit Nicolas aka Yes, its Ananias erneut auf die Bühne geht (Beitrag folgt mit Fotos vom TonTon, CoiCoin und Risa-Gig), hier paar Impressionen dieser zweier Shows. Danke an die Veranstalter!

Fotos: © Dominik Grenzler

Strom am Mittag


Fri-Son

An Moku – Zwischen den Zeilen. Ein Interview.

Eine Bank im Park nahe der Hochschule der Künste in Bern. Dominik hat Kaffee und Süsses dabei. «Unsere eigene Schokolade bringe ich stets als Geschenk mit», sagt er. Wir reden weiter über Bern, Zürich. Ein Small Talk eben bis wir auf die Musik kommen und beginnen…

Hast Du heute Musik gehört?

Selbstverständlich! Während der Zugfahrt allein hierhin hörte ich Alva Noto und das neulich erschienene «Tides» Re-Release von Arovane. Tolle Sachen!

Wie beschreibst Du deine Musik?

Die schwierigste Frage zu Anfang... Repetitiv, stimmungsvoll und minimiert.

«Stimmungsvoll» wie Musik für gute Laune?

Ich mache keine Musik für gute Laune. Diese Zeiten liegen weit zurück. Die Stimmung ist ein sehr interessantes Werkzeug, mit dem Spannungen erzeugen werden. Ich reibe äusserst gern. Wenn ich selbst bei meiner Musik das Gefühl bekomme, ok, jetzt wird es irgendwie «odd», dann ist es gut. Bestenfalls schlafe ich ein! 

Er lacht.

Wie darf man das verstehen?

Ich denke musikalisch sehr oft in Räumen, Triaden, Unebenheiten mit dem Ziel mich selbst in eine Art Trance zu bringen. Sobald das Gefühl von «Entspannung» eintritt, bin ich happy. Ich weiss zufällig, dass eine Autorin aus Berlin meine Musik rein zur buchhalterischen Zwecken hört und eine Zürcher Wissenschaftlerin ihre Doktorarbeit über Atome zu meinem Livealbum schrieb. «Man kann sich gut konzentrieren dabei», schrieb sie mir. Wiederum eine enge Freundin hört mich, wenn sie bestimmte Farben sehen will. Das ist unglaublich informativ für mich.  Wenn man so will, dient An Moku hier zur Konzentration. Stimmung ist Spannung und Entspannung. Vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit und hört hin..

Dominik, wie kam es eigentlich zu deinem Pseudonym «An Moku»?

Ok, da muss ich nachdenken. In den Jahren von 2007- 2014 bereiste ich Japan mit meiner Partnerin fünf Mal. Ich meine während der Reise im Jahre 2010, kam ich, bei einem Gespräch mit unserer Freundin Kana, auf linguistische Unterschiede und generelle Einzigartigkeiten zu sprechen und fragte sie, ob es zufälligerweise in der japanischen Sprache etwas Eigenes für den Begriff «Stille» gebe. Sie kam auf den Begriff «anmoku», der übersetzt für «stillschweigendes Verständnis» steht: Anmoku no ryoukai. Beeindruckt von der Macht des eigenen Wortes skizzierte sie die Schriftzeichen in meinem Notizbuch und ich beliess es bei der aufgezeichneten Trennung: An Moku. 

Dominik nippt am Kaffee…

Parallel und darüber hinaus bereisten wir Island. Acht mal an der Zahl. Reykjavík wurde zum «zweiten Wohnsitz» für eine bestimmte Zeit. Dort machte ich mich ebenfalls mit der einheimischen Kultur vertraut und überlegte das Pseudonym abzulegen oder es zu ändern. Doch die Macht und die Bedeutung des einzigartigen japanischen Wortes liess mich nie los und ich behielt An Moku als Synonym für meinen musikalischen Ausdruck.

Anhand deiner Veröffentlichungen sieht man, dass Du viele Kollaborationen machst.
Was spornt dich an?

Ich bin in diversen Bands aufgewachsen. Das Miteinander-, Aufeinander-Abgestimmt- und das Zusammensein in den Bands hat mich damals vor über 20 Jahren sehr geprägt. Nach meiner Zeit auf den grösseren Bühnen hatte ich jedoch genug davon. Kurz bevor ich in die Schweiz kam, verkaufte ich meine geliebte Ampeg-Bassanlage im Glauben, nie wieder in einer Band spielen zu wollen. Als ich 2018 nach der zweiten langen Unterbrechung mit der Musik wieder anfing, kam langsam das Verlangen nach der alten Zeit wieder hoch und ich vermisste den Austausch. Das Band-Miteinander wurde wieder ein Thema. Doch dann kam COVID und die Karten mischten sich neu. Ich began verstärkt in Kollaborationen zu denken.

Vier Hunde rennen wild an uns vorbei. Wir schauen ihnen hinterher… Lachen.

Für mich persönlich waren die zwei Jahre 2020-22 sehr produktiv. Ich hatte viel Zeit und ich nutzte sie auch mit Anderen. Das Miteinander lebte neu auf und ich genoss den Flow. Viele Zusammenarbeiten fruchteten, wenige gingen nicht auf. Trotz Kompromissen und Charakteren ziehe ich zur Zeit diese Arbeitsweise dem Solo vor.

Wenn Du eine «richtige» Band wieder gründen würdest, welche wäre es?

Gegenwärtig: Russian Circles. Einstürzende Neubauten.

Du hast von zwei langen Unterbrechungen gesprochen? Erzähl davon.

Hmmm. Musikalisch gesehen, befinde ich mich gegenwärtig in meinem dritten Block. Dazwischen passierte sehr viel. Kurzum, angelangt an einem Punkt, verliess ich das «wilde» Bandleben und began im Jahre 2002 in Dortmund direkt für die Musikindustrie zu arbeiten. Abgeworben von der Modeindustrie arbeitete ich die folgenden sechs Jahre im Streatwear-Segment im Management, wo ich auch eine solide kaufmännische Ausbildung genoss. Ich bestand darauf, da ich bis dato ausschliesslich einen Rider voller Auftritte, Praktika im Verlagswesen (ich wollte eigentlich ursprünglich ins Verlagswesen) und ein, für den Rock 'n' Roll, abgebrochenes Literatur-Studium vorzuweisen hatte. Folglich in 2006, auf einer Modemesse in London, lernte ich schliesslich die Frau meines Lebens und kam so, 2008, nach Zürich. Ich began mein Leben neu. Absolvierte eine Marketing-Ausbildung, lernte die Gastronomie kennen und jobbte kurz für paar Schweizer Unternehmen bis mir die Idee eines eigenen Cafés aufkam. 12 Jahre später nach einem drei-jährigen Pop-up in Reykjavík, Torten für die Rolling Stones, einer eigenen Swatch-Uhr und diversen weiteren Meilensteinen ist das kleine, co-geführte «Miyuko» nach wie vor ein Geheimtipp für Schleckermäuler mitten im Getümmel des Zürcher Lebens.

Kurze Pause…

Ende 2012 legte ich aufgrund des florierenden Cafés die Musik eigentlich nieder und verkaufte das Meiste, das den Umzug in die Schweiz überlebte. Natürlich machte ich immer was hier und da, aber das alles ist nicht weiter nennenswert. Einfachheitshalber beginnt mein musikalisches CV mit dem Jahrgang 2018, mit einer Show in Cairo. So gesehen ist An Moku noch ein Start-up und relativ jung. Ich bin jetzt 45 Jahre alt.

Du führst ein Musiklabel unter dem Namen EndTitles. Wie kam es dazu?

Eigentlich rein aus Ballance-Gründen. Ich wollte den Bezug zu Musik nicht verlieren. Zeit fürs Musizieren war nicht da (ich arbeitete damals sieben Tage die Woche bis es mich 2017 gewaltig zusammenklappte), so strebte ich an mit den Musikern in Form vor Veröffentlichungen zusammenzuarbeiten. Nach zwei Veröffentlichungen auf dem Label stand das Pop-up in Reykjavík im Raume und ich legte EndTitles vorerst aufs Eis bis ein Musikerkollege mir Dampf unter den Füssen machte, das Label wieder zu beleben. Ich fand einen Weg für mich die Ballance aus Privat, Leben, Arbeit, Hobby und Freizeit irgendwie zu finden und manage das kleine EndTitles nun im siebten Jahr.

Wie kam es zu dem Whitney Houston Konzert in Hamburg?

Ja, das war eine, der grösseren Bühnenshows, die ich vorhin erwähnte. 1998 lernte ich über einen Bekannten den Singer-Songwriter Daniel D. auf einem Barcley James Harvest Konzert im Backstagebereich in Köln kennen. Ein Jahr später machten wir eine kleine Kennenlern-Tour in Norddeutschland. Ich kam anschliessend nach Hause und bekam Tag darauf einen Anruf von Daniel, Joan Osborne sei als Opening Act für Whitney Houston in Hamburg ausgefallen. Ich solle kommen. 30000 Zuschauer. Ausverkauft. Ich hatte einen richtigen Bammel. Und so wurde ich im zarten Alter von 22 Jahren zu seinem Live-Bassisten. Es folgten Shows auf der Marla Glenn und Joe Cocker Tour etc. Meistens spielten wir als Duet oder mit einem Drummer. Das war eine schöne und intensive Zeit voller finanzieller Ups & Downs.

War das der Grund für deinen «Ausstieg»?

Letztendlich ja. Damals studierte ich tagsüber, jobbte nachts für meinen Unterhalt, absolvierte Praktika, die mich schliesslich zur Musikbranche führten und war die andere Hälfte des Monates on the Road. Wenn ich nicht jobbte, kam nicht genug Geld zusammen. Also musste ich mich nach knapp drei Jahren entscheiden. Das war nicht einfach für mich.

Dokumentierst Du?

Was? Social Media? Das mache ich generell sehr sporadisch, aber heutzutage sicherlich bewusster als damals. Vor über zwanzig Jahren war ja Social Media nicht (oder kaum) vorhanden, somit zählten einzig und allein die gedruckten Medien, Radio, eigene Fotoschnappschüsse und Backstagepässe. Diese waren mir heilig.

Zurück zu Heute. Du lebst in der Schweiz. Wie wichtig ist der Standort für dich?

Ich bin in der Lage von überall aus musikalisch arbeiten zu können. Aber ich bin in Zürich an das Café mit dem Daily Business und der dazu gehörenden Manufaktur in Rümlang gebunden. Dort produzieren wir Süsses in Form von ausgefallenen, bunten Anlasstorten, giessen Glacé oder eben Schokoladen. Süsse Arbeit. So ist es mir nicht möglich grosse, intensive Sprünge zu machen oder auf Tour zu gehen. Die Studiozeit kann ich mir hingegen freier einteilen. Ich akzeptiere das.

Ein weiterer Schluck vom Kaffee…

Die Schweiz ist ein wunderbarer Ort zum Leben. Den musikalischen Fokus verlegte ich allerdings von Anfang an ins Ausland und vernachlässigte die Schweiz. Erst seit vier, fünf Jahren habe ich jedoch das Gefühl es tut sich hier zulande zunehmend etwas in dem Bereich, der mich interessiert. Das Gleiche erlebe ich in der Schweizer Gastronomie. Es fegt ein junger, innovativer Wind. Der Slow Food-Gedanke wird präsenter. Das Handwerk lebt neu auf. 

Was fasziniert dich an dem Handwerk?

Es ist ganz einfach die Grundlage, um kreativ sein zu können. Wer sein Handwerk beherrscht, die Werkzeuge kennt und einzusetzen weiss, der kann auch umdenken und/oder mit wenig Grossartiges schaffen. Das gilt für die Gastronomie genauso wie für die Kunst allgemein.

Hast Du Beispiele für künstlerische Handwerker:innen in der Schweiz?

Pause...

Mit Personen bin ich vorsichtig, da ich mich nicht in der Position sehe zu beurteilen, wer was wie so oder so macht. Aber wenn Du so magst, hier ist ein gegenwärtiges Werk über das Handwerk: «Das kulinarische Erbe der Alpen» von Dominik Flammer und Sylvan Müller. Und visionäre Handwerker:innen: Sandra Knecht und Stefan Wiesner. Beide gehen weit über die Gastro hinaus.

Dominik, wir sind fast am Ende angelangt. Es stehen nur noch wenige Fragen auf dem Blatt.
Bist Du ein Instrumentensammler?

Nein. Oder nur temporär. Dann sortiere ich und lüfte aus. Zurück zu weniger ist mehr.

Was inspiriert dich?

Gute Frage. Definitiv bewegte Bilder, geschriebene Texte, gutes Essen. Menschen. Stille. Vergangenheit. Diffuses Licht. Melancholie. All das. Aber vor allem die Natur. Im August gehen meine Partnerin und ich nach Norwegen oberhalb des Polarkreises. Ich brauche die Weite der Stille. Die ist mir wichtig.

Was ist dir sonst wichtig?

Ich sage es mal andersrum, es ist mir sonst nicht wichtig in den vordersten Reihen zu stehen.

Was steht an?

Ferien und dann Kollaborationen. So, «Fluxus Verve», ein spannendes Projekt mit dem jungen Schweizer Tasten-Romancier Nicolas Streichenberg aka Yes, It's Ananias. Wir sind jetzt auf Labelsuche (TBA). Im Spätsommer starten anschliessend die «Raum im Raum»-Aufnahmen mit Stefan Schmidt. Das ist vorerst der abschliessende Teil unserer Raum-Trilogie für Karlrecords aus Berlin. Ich sehe hier Potenzial für eine mögliche Weiterführung. Und es steht mein Solo-Nachfolger für «Less» an (Puremagnetik, 2021).

Pause...

Ich habe vor paar Jahren zu meiner Partnerin gesagt: Unternehmerisch habe ich mit dem Café paar Ziele. Diese haben wir gemeinsam erreicht. Mit An Moku habe ich nur drei Ziele. Zwei davon habe ich erreicht. Sobald ich das dritte erreiche, kann ich theoretisch mit der Musik wieder aufhören. Das könnte aber noch dauern...

Er lacht.

Aus Lust und Laune heraus äusserte Dominik vor dem Interview die Bitte an mich, das Interview analog aufzuzeichnen! Ich trieb ein altes Aufnahmegerät auf – ein Diktafon und siehe da, es funktioniert. Alte Technik versagt nicht, sage ich. Er lacht. Wir trinken den Kaffee fertig und unser Treffen ist zu Ende. Die Miyuko-Schokolade nehme ich mit. Danke für das Experiment. – H. V.