Eine Bank im Park nahe der Hochschule der Künste in Bern. Dominik hat Kaffee und Süsses dabei. «Unsere eigene Schokolade bringe ich stets als Geschenk mit», sagt er. Wir reden weiter über Bern, Zürich. Ein Small Talk eben bis wir auf die Musik kommen und beginnen…
Hast Du heute Musik gehört?
Selbstverständlich! Während der Zugfahrt allein hierhin hörte ich Alva Noto und das neulich erschienene «Tides» Re-Release von Arovane. Tolle Sachen!
Wie beschreibst Du deine Musik?
Die schwierigste Frage zu Anfang... Repetitiv, stimmungsvoll und minimiert.
«Stimmungsvoll» wie Musik für gute Laune?
Ich mache keine Musik für gute Laune. Diese Zeiten liegen weit zurück. Die Stimmung ist ein sehr interessantes Werkzeug, mit dem Spannungen erzeugen werden. Ich reibe äusserst gern. Wenn ich selbst bei meiner Musik das Gefühl bekomme, ok, jetzt wird es irgendwie «odd», dann ist es gut. Bestenfalls schlafe ich ein!
Er lacht.
Wie darf man das verstehen?
Ich denke musikalisch sehr oft in Räumen, Triaden, Unebenheiten mit dem Ziel mich selbst in eine Art Trance zu bringen. Sobald das Gefühl von «Entspannung» eintritt, bin ich happy. Ich weiss zufällig, dass eine Autorin aus Berlin meine Musik rein zur buchhalterischen Zwecken hört und eine Zürcher Wissenschaftlerin ihre Doktorarbeit über Atome zu meinem Livealbum schrieb. «Man kann sich gut konzentrieren dabei», schrieb sie mir. Wiederum eine enge Freundin hört mich, wenn sie bestimmte Farben sehen will. Das ist unglaublich informativ für mich. Wenn man so will, dient An Moku hier zur Konzentration. Stimmung ist Spannung und Entspannung. Vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit und hört hin..
Dominik, wie kam es eigentlich zu deinem Pseudonym «An Moku»?
Ok, da muss ich nachdenken. In den Jahren von 2007- 2014 bereiste ich Japan mit meiner Partnerin fünf Mal. Ich meine während der Reise im Jahre 2010, kam ich, bei einem Gespräch mit unserer Freundin Kana, auf linguistische Unterschiede und generelle Einzigartigkeiten zu sprechen und fragte sie, ob es zufälligerweise in der japanischen Sprache etwas Eigenes für den Begriff «Stille» gebe. Sie kam auf den Begriff «anmoku», der übersetzt für «stillschweigendes Verständnis» steht: Anmoku no ryoukai. Beeindruckt von der Macht des eigenen Wortes skizzierte sie die Schriftzeichen in meinem Notizbuch und ich beliess es bei der aufgezeichneten Trennung: An Moku.
Dominik nippt am Kaffee…
Parallel und darüber hinaus bereisten wir Island. Acht mal an der Zahl. Reykjavík wurde zum «zweiten Wohnsitz» für eine bestimmte Zeit. Dort machte ich mich ebenfalls mit der einheimischen Kultur vertraut und überlegte das Pseudonym abzulegen oder es zu ändern. Doch die Macht und die Bedeutung des einzigartigen japanischen Wortes liess mich nie los und ich behielt An Moku als Synonym für meinen musikalischen Ausdruck.
Anhand deiner Veröffentlichungen sieht man, dass Du viele Kollaborationen machst.
Was spornt dich an?
Ich bin in diversen Bands aufgewachsen. Das Miteinander-, Aufeinander-Abgestimmt- und das Zusammensein in den Bands hat mich damals vor über 20 Jahren sehr geprägt. Nach meiner Zeit auf den grösseren Bühnen hatte ich jedoch genug davon. Kurz bevor ich in die Schweiz kam, verkaufte ich meine geliebte Ampeg-Bassanlage im Glauben, nie wieder in einer Band spielen zu wollen. Als ich 2018 nach der zweiten langen Unterbrechung mit der Musik wieder anfing, kam langsam das Verlangen nach der alten Zeit wieder hoch und ich vermisste den Austausch. Das Band-Miteinander wurde wieder ein Thema. Doch dann kam COVID und die Karten mischten sich neu. Ich began verstärkt in Kollaborationen zu denken.
Vier Hunde rennen wild an uns vorbei. Wir schauen ihnen hinterher… Lachen.
Für mich persönlich waren die zwei Jahre 2020-22 sehr produktiv. Ich hatte viel Zeit und ich nutzte sie auch mit Anderen. Das Miteinander lebte neu auf und ich genoss den Flow. Viele Zusammenarbeiten fruchteten, wenige gingen nicht auf. Trotz Kompromissen und Charakteren ziehe ich zur Zeit diese Arbeitsweise dem Solo vor.
Wenn Du eine «richtige» Band wieder gründen würdest, welche wäre es?
Gegenwärtig: Russian Circles. Einstürzende Neubauten.
Du hast von zwei langen Unterbrechungen gesprochen? Erzähl davon.
Hmmm. Musikalisch gesehen, befinde ich mich gegenwärtig in meinem dritten Block. Dazwischen passierte sehr viel. Kurzum, angelangt an einem Punkt, verliess ich das «wilde» Bandleben und began im Jahre 2002 in Dortmund direkt für die Musikindustrie zu arbeiten. Abgeworben von der Modeindustrie arbeitete ich die folgenden sechs Jahre im Streatwear-Segment im Management, wo ich auch eine solide kaufmännische Ausbildung genoss. Ich bestand darauf, da ich bis dato ausschliesslich einen Rider voller Auftritte, Praktika im Verlagswesen (ich wollte eigentlich ursprünglich ins Verlagswesen) und ein, für den Rock 'n' Roll, abgebrochenes Literatur-Studium vorzuweisen hatte. Folglich in 2006, auf einer Modemesse in London, lernte ich schliesslich die Frau meines Lebens und kam so, 2008, nach Zürich. Ich began mein Leben neu. Absolvierte eine Marketing-Ausbildung, lernte die Gastronomie kennen und jobbte kurz für paar Schweizer Unternehmen bis mir die Idee eines eigenen Cafés aufkam. 12 Jahre später nach einem drei-jährigen Pop-up in Reykjavík, Torten für die Rolling Stones, einer eigenen Swatch-Uhr und diversen weiteren Meilensteinen ist das kleine, co-geführte «Miyuko» nach wie vor ein Geheimtipp für Schleckermäuler mitten im Getümmel des Zürcher Lebens.
Kurze Pause…
Ende 2012 legte ich aufgrund des florierenden Cafés die Musik eigentlich nieder und verkaufte das Meiste, das den Umzug in die Schweiz überlebte. Natürlich machte ich immer was hier und da, aber das alles ist nicht weiter nennenswert. Einfachheitshalber beginnt mein musikalisches CV mit dem Jahrgang 2018, mit einer Show in Cairo. So gesehen ist An Moku noch ein Start-up und relativ jung. Ich bin jetzt 45 Jahre alt.
Du führst ein Musiklabel unter dem Namen EndTitles. Wie kam es dazu?
Eigentlich rein aus Ballance-Gründen. Ich wollte den Bezug zu Musik nicht verlieren. Zeit fürs Musizieren war nicht da (ich arbeitete damals sieben Tage die Woche bis es mich 2017 gewaltig zusammenklappte), so strebte ich an mit den Musikern in Form vor Veröffentlichungen zusammenzuarbeiten. Nach zwei Veröffentlichungen auf dem Label stand das Pop-up in Reykjavík im Raume und ich legte EndTitles vorerst aufs Eis bis ein Musikerkollege mir Dampf unter den Füssen machte, das Label wieder zu beleben. Ich fand einen Weg für mich die Ballance aus Privat, Leben, Arbeit, Hobby und Freizeit irgendwie zu finden und manage das kleine EndTitles nun im siebten Jahr.
Wie kam es zu dem Whitney Houston Konzert in Hamburg?
Ja, das war eine, der grösseren Bühnenshows, die ich vorhin erwähnte. 1998 lernte ich über einen Bekannten den Singer-Songwriter Daniel D. auf einem Barcley James Harvest Konzert im Backstagebereich in Köln kennen. Ein Jahr später machten wir eine kleine Kennenlern-Tour in Norddeutschland. Ich kam anschliessend nach Hause und bekam Tag darauf einen Anruf von Daniel, Joan Osborne sei als Opening Act für Whitney Houston in Hamburg ausgefallen. Ich solle kommen. 30000 Zuschauer. Ausverkauft. Ich hatte einen richtigen Bammel. Und so wurde ich im zarten Alter von 22 Jahren zu seinem Live-Bassisten. Es folgten Shows auf der Marla Glenn und Joe Cocker Tour etc. Meistens spielten wir als Duet oder mit einem Drummer. Das war eine schöne und intensive Zeit voller finanzieller Ups & Downs.
War das der Grund für deinen «Ausstieg»?
Letztendlich ja. Damals studierte ich tagsüber, jobbte nachts für meinen Unterhalt, absolvierte Praktika, die mich schliesslich zur Musikbranche führten und war die andere Hälfte des Monates on the Road. Wenn ich nicht jobbte, kam nicht genug Geld zusammen. Also musste ich mich nach knapp drei Jahren entscheiden. Das war nicht einfach für mich.
Dokumentierst Du?
Was? Social Media? Das mache ich generell sehr sporadisch, aber heutzutage sicherlich bewusster als damals. Vor über zwanzig Jahren war ja Social Media nicht (oder kaum) vorhanden, somit zählten einzig und allein die gedruckten Medien, Radio, eigene Fotoschnappschüsse und Backstagepässe. Diese waren mir heilig.
Zurück zu Heute. Du lebst in der Schweiz. Wie wichtig ist der Standort für dich?
Ich bin in der Lage von überall aus musikalisch arbeiten zu können. Aber ich bin in Zürich an das Café mit dem Daily Business und der dazu gehörenden Manufaktur in Rümlang gebunden. Dort produzieren wir Süsses in Form von ausgefallenen, bunten Anlasstorten, giessen Glacé oder eben Schokoladen. Süsse Arbeit. So ist es mir nicht möglich grosse, intensive Sprünge zu machen oder auf Tour zu gehen. Die Studiozeit kann ich mir hingegen freier einteilen. Ich akzeptiere das.
Ein weiterer Schluck vom Kaffee…
Die Schweiz ist ein wunderbarer Ort zum Leben. Den musikalischen Fokus verlegte ich allerdings von Anfang an ins Ausland und vernachlässigte die Schweiz. Erst seit vier, fünf Jahren habe ich jedoch das Gefühl es tut sich hier zulande zunehmend etwas in dem Bereich, der mich interessiert. Das Gleiche erlebe ich in der Schweizer Gastronomie. Es fegt ein junger, innovativer Wind. Der Slow Food-Gedanke wird präsenter. Das Handwerk lebt neu auf.
Was fasziniert dich an dem Handwerk?
Es ist ganz einfach die Grundlage, um kreativ sein zu können. Wer sein Handwerk beherrscht, die Werkzeuge kennt und einzusetzen weiss, der kann auch umdenken und/oder mit wenig Grossartiges schaffen. Das gilt für die Gastronomie genauso wie für die Kunst allgemein.
Hast Du Beispiele für künstlerische Handwerker:innen in der Schweiz?
Pause...
Mit Personen bin ich vorsichtig, da ich mich nicht in der Position sehe zu beurteilen, wer was wie so oder so macht. Aber wenn Du so magst, hier ist ein gegenwärtiges Werk über das Handwerk: «Das kulinarische Erbe der Alpen» von Dominik Flammer und Sylvan Müller. Und visionäre Handwerker:innen: Sandra Knecht und Stefan Wiesner. Beide gehen weit über die Gastro hinaus.
Dominik, wir sind fast am Ende angelangt. Es stehen nur noch wenige Fragen auf dem Blatt.
Bist Du ein Instrumentensammler?
Nein. Oder nur temporär. Dann sortiere ich und lüfte aus. Zurück zu weniger ist mehr.
Was inspiriert dich?
Gute Frage. Definitiv bewegte Bilder, geschriebene Texte, gutes Essen. Menschen. Stille. Vergangenheit. Diffuses Licht. Melancholie. All das. Aber vor allem die Natur. Im August gehen meine Partnerin und ich nach Norwegen oberhalb des Polarkreises. Ich brauche die Weite der Stille. Die ist mir wichtig.
Was ist dir sonst wichtig?
Ich sage es mal andersrum, es ist mir sonst nicht wichtig in den vordersten Reihen zu stehen.
Was steht an?
Ferien und dann Kollaborationen. So, «Fluxus Verve», ein spannendes Projekt mit dem jungen Schweizer Tasten-Romancier Nicolas Streichenberg aka Yes, It's Ananias. Wir sind jetzt auf Labelsuche (TBA). Im Spätsommer starten anschliessend die «Raum im Raum»-Aufnahmen mit Stefan Schmidt. Das ist vorerst der abschliessende Teil unserer Raum-Trilogie für Karlrecords aus Berlin. Ich sehe hier Potenzial für eine mögliche Weiterführung. Und es steht mein Solo-Nachfolger für «Less» an (Puremagnetik, 2021).
Pause...
Ich habe vor paar Jahren zu meiner Partnerin gesagt: Unternehmerisch habe ich mit dem Café paar Ziele. Diese haben wir gemeinsam erreicht. Mit An Moku habe ich nur drei Ziele. Zwei davon habe ich erreicht. Sobald ich das dritte erreiche, kann ich theoretisch mit der Musik wieder aufhören. Das könnte aber noch dauern...
Er lacht.
Aus Lust und Laune heraus äusserte Dominik vor dem Interview die Bitte an mich, das Interview analog aufzuzeichnen! Ich trieb ein altes Aufnahmegerät auf – ein Diktafon und siehe da, es funktioniert. Alte Technik versagt nicht, sage ich. Er lacht. Wir trinken den Kaffee fertig und unser Treffen ist zu Ende. Die Miyuko-Schokolade nehme ich mit. Danke für das Experiment. – H. V.